Ebenso vielgestaltig wie die Ursachen der beschriebenen Entwicklung können auch ihre Auswirkungen sein. Neben dem Wert der Natur und der Lebewesen an sich, geht es beim Artenschutz direkt um unsere eigenen Lebensgrundlagen. Es besteht die berechtigte Befürchtung, dass ganze Organismusgruppen ausgestorben sein könnten, bevor sie entdeckt und in ihrem potenziellen Wert erkannt worden sind. Zum Beispiel für die Arzneistoffgewinnung: Bereits heute basieren fast die Hälfte aller in Deutschland gebräuchlichen Medikamente auf Pflanzen und ihren Bestandteilen, wobei deren Wirkstoffe aus nicht einmal 90 Arten stammen. Das medizinische Potential vieler Arten ist noch nicht erschlossen und droht verloren zu gehen. Der Erhalt der Wildpflanzen ist also auch für die zukünftige Versorgung mit Heilkräutern und medizinischen Wirkstoffen unerlässlich.

Was passieren kann, wenn allein vermeintlich wichtige Arten überleben, hat uns die Natur in den 70er Jahren vor Augen geführt, als ein Virus die Reisernten von Indien bis Südostasien vernichtete. Den Menschen drohten Hunger und Ruin – bis Wissenschaftler unter tausenden Reissorten eine Sorte fanden, die diesem Virus trotzte. In Folge der langen gemeinsamen Evolution sind komplexe Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Lebewesen auf der Erde entstanden. Viele sind an spezielle Bedingungen oder Nahrungsquellen angepasst, wie beispielsweise die Raupe des Schwalbenschwanzes an die wilde Möhre; oder Vögel, die auf ganz bestimmte Wildfrüchte angewiesen sind, deren Samen sie wiederum verbreiten. Von den Böden über die Mikroorganismen, die Pflanzen und Insekten bis hin zum Menschen hängt auf diese Weise alles mit allem zusammen.

Wenn eine Art ausstirbt, sind auch andere davon betroffen. So werden in Deutschland gemeinsam mit ihren Habitaten unzählige Tierarten verdrängt: Mit den Hecken auf den Feldern verschwinden viele Vogelarten, mit den Wildwiesen die Schmetterlinge, Hummeln sowie Bodenbrüter und mit den frei fließenden Bächen viele Amphibien und feuchtigkeitsliebende Pflanzen. Die Stabilität eines Systems ist immer abhängig von seiner Diversität und gerade in Zeiten des klimatischen Wandels werden wir noch auf die Fähigkeit unserer Ökosysteme zur Anpassung und Selbstregulation angewiesen sein. Die natürliche Vielfalt an Erbanlagen und Lebensräumen zu schützen bedeutet deshalb nicht nur, die Schönheit der Natur zu bewahren, sondern die Grundlagen unserer Existenz zu sichern.